– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Entsetzen, Fassungslosigkeit, Entschlossenheit Diese Worte drücken aus, was uns im Zusammenhang mit der Umweltkatastrophe an der Oder im August dieses Jahres bewegt.
Entsetzen darüber, dass Hunderttausende toter Fische, Muscheln und Schnecken die Oder hinuntergetrieben sind. Die Oder, an der einem sonst das Herz aufgeht, die über 500 Kilometer einer der letzten freifließenden Flüsse Europas ist, die für ihre Naturnähe und ihre artenreiche Fischfauna bekannt ist, die allein auf brandenburgischer Seite 12 Fischereibetriebe ernährt, die jährlich tausende Urlauber, Angler und Naturfreunde anzieht, diese Oder wurde innerhalb weniger Tage zu einem beklemmenden Ort, einem Ort von Tot und Verwesung, einem Ort, den die vielen Helfer zur Beräumung der Kadaver zumeist in Schutzanzügen aufgesucht haben, bei über 30 Grad und einem ekelhaften Gestank.
Fassungslosigkeit machte sich bei uns breit, je mehr wir über die Ursachen für das große Sterben erfahren haben. Auch wenn noch nicht alles vollständig aufgeklärt ist und die eingesetzte deutsch-polnische Expertengruppe ihren Abschlussbericht erst Ende September vorlegen wird, dürfte inzwischen eines klar sein: Es handelt sich um eine menschengemachte Katastrophe.
Sie wurde ausgelöst durch die massenhafte Entwicklung der Goldalge Prymnesium parvum, die normalerweise im Brackwasser lebt. Ihre massenhafte Entwicklung in der Oder wurde möglich durch unverhältnismäßig starke Einleitungen von salzhaltigen Abwässern in Verbindung mit Stauhaltungen, geringen Durchflüssen und sehr hohen Temperaturen – Bedingungen, wie wir sie künftig im Rahmen der Klimakrise häufiger erwarten dürfen.
Fassungslosigkeit macht sich bei uns aber auch breit angesichts der Tatsache, dass eine derartige Umweltkatastrophe im 23 Jahr nach Inkrafttreten der europäischen Wasserrahmenrichtlinie an einem Grenzfluss mitten in Europa überhaupt möglich ist!
Das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist der gute Zustand der Gewässer als Lebensgrundlage für unsere und die folgenden Generationen. Dazu gibt es das Verschlechterungsverbot für den Gewässerzustand. Das hat an der Oder in diesem Jahr schon mal nicht gegriffen.
Entschlossenheit ist jetzt angesagt. Entschlossenheit, alles dafür zu tun, dass sich solch eine Umweltkatastrophe an der Oder nicht wiederholt und Entschlossenheit auch dazu, dass der gute Zustand der Oder im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie hergestellt und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den klimatischen Veränderungen gestärkt wird.
In Auswertung der Sondersitzung des Umweltausschuss zur Oderkatastrophe am 23. August fordern wir die Landesregierung nun auf, gemeinsam mit der Bundesregierung und der polnischen Regierung für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen und darauf hinzuwirken, dass umweltkritische Einleitungen entlang der Oder umgehend gestoppt werden.
Im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder sollen ein länderübergreifendes Einleitungskataster erstellt und sämtliche Einleitungen in die Oder und deren Nebenflüsse überprüft werden. Das gilt auch hinsichtlich der Grenzwerte für die Einleitungen mit Blick auf notwendige Verdünnungseffekte. Denn wir müssen davon ausgehen, dass sich die Bedingungen für unsere Flüsse durch die Klimakrise wegen anhaltender Trockenheit, geringeren Durchflüssen und erhöhten Temperaturen weiter verschlechtern. Damit sinkt das Vermögen der Flüsse, Einleitungen aus Kommunen und Wirtschaft ohne Schäden an den Ökosystemen abzupuffern.
Das gilt auch für die Brandenburger Seite der Oder. Wir begrüßen, dass unser Umweltminister Axel Vogel in dieser Angelegenheit bereits tätig geworden ist, wie in der letzten Ausschusssitzung berichtet wurde.
Es soll auch geprüft werden, wie gemeinsam mit der Bundesregierung den vom Fischsterben betroffenen Betrieben, insbesondere in den Bereichen Fischerei und Tourismus, finanziell geholfen werden kann. Und auch hier ist das grün geführte Umweltministerium bereits seit Wochen in der Spur.
Einen besonderen Platz nimmt in dieser Katastrophe das ehrenamtliche Engagement der vielen Helferinnen und Helfer beim Beräumen und Entsorgen der toten Fische ein. Ihnen gebührt unser herzlicher Dank! Angesichts dieses Einsatzes unter wirklich herausfordernden Bedingungen haben sie aber nicht nur Beifall verdient. Schließlich haben viele der Helferinnen und Helfer nicht nur ihre Zeit, sondern auch materielle Ausrüstungen geopfert, die nach diesem Einsatz nur noch im Müll landen konnten. Unsere Forderung an die Landesregierung geht daher in Richtung, dieses Engagement in geeigneter Form öffentlich zu würdigen.
Auch unser Brandenburger Nationalpark „Unteres Odertal“ ist durch diese Umweltkatastrophe stark betroffen. Die Nationalparkverwaltung soll deshalb bei der Bewältigung der zusätzlich entstandenen Aufgaben besonders unterstützt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Das Fischsterben in diesem Sommer ist ein Zeichen dafür, dass die Belastungsgrenzen für das Ökosystem Oder überschritten wurden.
Und es nicht so, dass sie sich mal eben durchspült und dann ist alles wieder gut, wie dies kürzlich in einem Interview von einem SPD-Bundestagsabgeordneten beschrieben wurde. Die Oder ist kein Klo in dem man unangenehme Sachen mal eben wegspülen kann. Die Regenerierung des Ökosystems in ein komplexer und langwieriger Prozess, auch wenn jetzt wieder lebende Fische gefunden werden.
Eine Erkenntnis aus der ökologischen Katastrophe ist, dass die Belastungen für die Oder erheblich reduziert werden müssen, wenn sie ihre Gratis – Ökosystemleistungen für uns erbringen soll, nämlich die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, die ökologische Selbstreinigungskraft, natürlichen Hochwasserschutz und Fischereiressourcen.
Was ist nun also zu tun, damit sich ein solch massives Sterben nicht wiederholt und der Fluss seine natürliche Widerstandsfähigkeit zurückerlangt?
Die Wissenschaftler vom Leibnitz-Institut für Gewässerökologie Berlin haben uns in der Sondersitzung des Umweltausschusses Antworten dazu gegeben und diese in ihrem kürzlich erschienen Policy-Brief nochmals zusammengefasst: An erster Stelle sollen aktuelle und geplante flussbauliche Maßnahmen, die zum Ziel haben, den Fluss zu vertiefen, sein Gewässerbett homogener zu gestalten oder ihn aufzustauen, mit sofortiger Wirkung ruhen und neu bewertet werden.
Weiter heißt es: „Im Lichte der katastrophalen Ereignisse sollte jede zukünftige Flussbaumaßnahme besonders kritisch auf ihre Ausnahmefähigkeit nach Artikel 4 der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, ihre Umweltverträglichkeit und insbesondere auf ihre Effekte hinsichtlich der natürlichen Resilienz der Gewässer gegenüber Klimaveränderungen geprüft werden.“
Das IGB hatte bereits in einem Policy-Brief Ende 2020 darauf hingewiesen, dass Ausbaumaßnahmen für die Binnenschifffahrt den ökologischen Zustand des Gewässers verschlechtern.
Die geplanten Maßnahmen unter dem Deckmantel des Hochwasserschutzes für den Einsatz von Eisbrechern sind weder durch bestehende Hochwasserrisiken noch durch ein vermeintliches volkswirtschaftliches Potenzial zu rechtfertigen.
Die auf polnischer Seite seit März dieses Jahres laufenden Baggerarbeiten führen zur Vernichtung von charakteristischen Oder-Lebensräumen, insbesondere in den dicht besiedelten flachen Uferbereichen. Sie mobilisieren Sedimente, Nährstoffe und Altlasten wie Quecksilber aus jahrzehntelanger industrieller Belastung. An dieser Stelle wäre ein Baustopp der laufenden Arbeiten auf polnischer Seite notwendig, wie er im Antrag der LINKEN zu Recht gefordert wird. Auch unsere bündnisgrüne Fraktion fordert den Baustopp. Leider hat dieser Punkt keinen Eingang in den gemeinsamen Koalitionsantrag gefunden.
Sicher, die polnische Regierung würde darauf wahrscheinlich nicht reagieren. Auch unsere grüne Umweltministerin Steffi Lemke hatte ja bereits den Versuch unternommen, einen Baustopp herbeizuführen. Aber trotzdem: Es wäre ein starkes politisches Signal und es wäre notwendig in diesen Zeiten!
An dieser Stelle wünsche ich mir künftig mehr Mut von unseren Koalitionspartnern, insbesondere von der SPD, auch schwierige Themen im Kontext der Bestrebungen unserer polnischen Nachbarn und wirtschaftlicher Interessen in unserem Land zu kommunizieren und vermehrt nachhaltige Lösungen zu verfolgen.
Es hat sich längst herausgestellt, dass die Güterschifffahrt auf unseren Flüssen auf einem absteigenden Ast ist, weil die Klimakrise saisonal zu viel zu niedrigen Wasserständen führt, nicht nur auf der Oder, auch auf Rhein und Elbe. Der Ausbau der Oder zu Schifffahrtszwecken, wie er von Polen verfolgt wird, stellt aufgrund der Klimakrise mit abnehmendem Wasserdargebot nicht nur ein ökologisches Risiko für den Fluss dar, sondern auch ein ökonomisches für die Schifffahrt!
Wir müssen die Schiffe künftig vermehrt den Flüssen anpassen und nicht die Flüsse den Schiffen! Trotz der Meinungsverschiedenheiten zum Baustopp freue mich, dass wir uns darauf verständigen konnten, dass die vorbereitenden Arbeiten zur Umsetzung des Abkommens zum Oderausbau seitens der Bundeswasserstraßenverwaltung überprüft werden sollen, dass die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt forciert werden soll. Und dass die Umsetzung des Bundesprogramms “Blaues Band Deutschland“ an der Oder vorangebracht werden soll.
Gegen den ergangenen Bescheid der polnischen Generaldirektion für Umwelt zum Widerspruch des Landes Brandenburg im grenzüberschreitenden UVP-Verfahren sollen gegebenenfalls rechtliche Schritte eingeleitet werden. Damit beschließen wir hier zwar nicht das erforderliche volle Programm zum Schutz der Oder, doch ich möchte Ihnen trotzdem empfehlen, unserem Antrag zuzustimmen.
Wir werden als bündnisgrüne Fraktion darüber hinaus alle Möglichkeiten nutzen, um der Oder eine Zukunft zu geben. Nur dem Antrag der Linken können wir heute aus Gründen des Koalitionsfriedens nicht zustimmen.
Danke für die Aufmerksamkeit!
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