– Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
was treibt Menschen dazu, Volksinitiativen für Insektenschutz und den Schutz der Artenvielfalt zu starten? Was treibt über 70.000 Menschen in Brandenburg dazu, Forderungen nach mehr Artenschutz zu unterschreiben? Es sind sicher die alarmierenden Zahlen der Wissenschaftler. Nicht nur die Krefeldstudie mit der Botschaft eines enormen Insektenschwundes von über 70 % in den letzten 30 Jahren hat uns alarmiert.
Ausgestorben oder gefährdet sind bei uns in Brandenburg inzwischen: 41 % der Käferarten, 53 % der Hautflügler (Dazu zählen auch die Bienen), 52 % der Kleinschmetterlinge, 41% der Großschmetterlinge.
Sinkende Bestände haben wir auch bei Laufkäfern, Heuschrecken und Ameisen. Mehr als 1/3 der Tagfalterarten sind vom Bestandsrückgang betroffen.
Aber es sind nicht nur Insekten. Die Daten des Vogelmonitorings zeigen, dass gerade die ehemals ganz häufigen Arten der Agrarlandschaft rückläufige Bestände aufweisen. Von 1995 bis 2016 haben 30 von 39 Vogelarten der Agrarlandschaft mehr oder weniger stark abgenommen. Dazu zählen so verbreitete Arten wie Feldlerche, Schafstelze und Feldsperling. Die Zahlen belegen, was viele Menschen registrieren. Mach einem fallen beim Stichwort Arten- und Insektenrückgang sofort die Schwämme zum Reinigen von insektenverklebten Autoscheiben ein, die man eigentlich nicht mehr braucht. Mir fällt da z. B. eine Schar Rebhühner ein, die sich in einem kalten, verschneiten Winter in den 70er Jahren bei der Futtersuche in unser Dorf verirrt hatte. Das war auch damals nicht alltäglich. Aber heute ist das einst häufige Rebhuhn aus großen Teilen unseres Landes gänzlich verschwunden und muss als vom Aussterben bedroht eingestuft werden.
Die Ursachen hierfür werden nicht nur in den strukturellen Veränderungen der Agrarlandschaft gesehen, sondern auch im Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die nämlich zur Verringerung des Nahrungsangebotes hinsichtlich der Insektenfauna führen. Es geht also um mehr als die Honigbiene, die gern als Sinnbild blühender Landschaften herangezogen wird.
Die beiden Volksinitiativen haben eine ganze Reihe von Forderungen aufgestellt, deren Umsetzung dazu beitragen soll, den Artenschwund insgesamt aufzuhalten. Einige dieser Forderungen haben wir in unserem Koalitionsvertrag bereits verankert und manches wurde als Schwerpunkt im Geschäftsbereich des Agrar- und Umweltministeriums für das Jahr 2020 eingeordnet. Aber es gibt auch Forderungen, an denen sich die Geister der beiden Volksinitiativen scheiden. Die Umweltverbände fordern z. B., auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten und den sogenannten FFH-Gebieten der Europäischen Union zu verzichten.
Und ganz nebenbei: Für viele der Unterzeichner*innen ist es völlig unerklärlich, dass in Naturschutzgebieten überhaupt mit Giften gearbeitet werden darf. Die Umweltverbände fordern auch, ausreichend breite Gewässerrandstreifen einzurichten, um den Eintrag von Düngemitteln und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer zu verhindern.
Beide Forderungen sind begründet, da längst nachgewiesen ist, dass insbesondere der Einsatz der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln einer der Hauptgründe für den Rückgang von Arten und Bestandszahlen der Insektenfauna ist.
In dem am 17. Februar mit beiden Volksinitiativen vereinbarten Diskussionsprozess wird es nun darauf ankommen, Schutz und Nutzung der Landschaft so in Einklang zu bringen, dass der Artenrückgang gestoppt werden kann, aber die Landwirte trotzdem ihr Einkommen haben. Und das ist der springende Punkt. Hier geht es um verlässliche und planbare Umweltpolitik, wie bereits gesagt wurde.
Da wurden mit der besagten Vereinbarung von beiden Seiten die Türen ein Stück weit geöffnet. Dafür auch von mir einen herzlichen Dank! Mit der Vereinbarung vom 17. Februar haben sich beide Volksinitiativen zu einem konstruktiven Dialog bereit erklärt, an dessen Ende eine Beschlussvorlage für den Landtag mit konkreten Festlegungen für einen wirkungsvollen Insekten- und Artenschutz stehen soll.
Die bisherige Behandlung der Volksinitiativen im Landtag hat zu der Erkenntnis geführt, dass die Rahmenbedingungen der Zulässigkeit von Volksinitiativen unter den Bedingungen der Landesverfassung untersucht werden müssen. Dies ist in der Vereinbarung vom 17. Februar und in unserem Entschließungsantrag festgehalten und soll unabhängig vom Diskussionsprozess zu den Inhalten der Volksinitiativen erfolgen.
Insofern wird der von der LINKEN zu diesem Thema eingebrachte Entschließungsantrag bereits berücksichtigt und von uns abgelehnt. Auch den Entschließungsantrag der LINKEN zum Insektenschutz werden wir ablehnen, weil dessen Inhalte im vereinbarten Dialogprozess behandelt werden. Die Kolleginnen und Kollegen von der Linken sind herzlich eingeladen, diesen Prozess zu begleiten.
Ich bitte der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses und dem Entschließungsantrag zur Durchführung eines moderierten Diskussionsprozesses mit den Volksinitiativen zum Insektenschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt zuzustimmen.
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